Das Parkinsonsche Gesetz:
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Bei der Beschäftigung mit diesem Phänomen stößt man immer wieder auf den Namen des englischen Historikers und Journalisten
C. N. Parkinson, der 1958 ein Gesetz zum Wachstum der Bürokratie formuliert hat.
Das sogenannte Parkinsonsche Gesetz kann man in zwei kurze Lehrsätze fassen:
1. »Jeder Beamte oder Angestellte wünscht die Zahl seiner
Untergebenen,
nicht aber die Zahl seiner Rivalen zu vergrößern.«
2. »Beamte oder Angestellte schaffen sich gegenseitig Arbeit« (Parkinson 1980).
Parkinson erklärt diese beiden Gesetze an einem Beispiel, das sehr einleuchtend ist:
»Um das Gesetz 1 zu verstehen, müssen wir das Bild eines Beamten, genannt A, entwerfen, welcher spürt, daß er überarbeitet ist. Ob die Überarbeitung auf Tatsachen oder Einbildung beruht, spielt dabei keine Rolle, nur beiläufig wollen wir erwähnen, daß As Gefühl (oder Einbildung) sehr leicht ein Ergebnis jenes
>Leistungsknicks< sein kann, der bei Männern in den mittleren Jahren auftritt.
Für dieses tatsächliche oder eingebildete Zuviel an Arbeit gibt es nun
drei mögliche Heilmittel:
A kann um seine Entlassung bitten, A kann darum bitten, daß er seine Arbeit künftig mit dem Kollegen B teilen darf, und A kann schließlich ein Gesuch
stellen, daß ihm zwei Unterbeamte zugeteilt werden, genannt C und D.
Ich glaube, es gibt kein bekanntes Beispiel in der Weltgeschichte, daß ein Beamter oder Angestellter einen anderen als den dritten Weg wählte. Denn durch Abdankung verliert er die Pensionsberechtigung. zieht er den Kollegen B als Gleichberechtigten ins Spiel, dann schafft er sich einen Rivalen für den Fall, daß sein Vorgesetzter W eines Tages in den Ruhestand geht und einen leeren Stuhl hinterläßt.
Infolgedessen zieht A es vor. zwei Junioren, C und D, unter sich zu haben. Sie stärken nicht nur seine Stellung im Amt, er kann auch die Arbeit in zwei Hälften einteilen, die er ihnen getrennt zuweist, woraus für ihn der Vorteil entspringt, daß er als einziger die ganze Arbeit versteht. Es ist wichtig. festzuhalten, daß die beiden Untergebenen C und D untrennbar sind.
Warum? Weil C, allein, die Arbeit mit A teilen und dadurch in den Genuß der Gleichberechtigung geraten würde, die bereits B aus guten Gründen versagt wurde ... Beschwert sich eines Tages C über zuviel Arbeit (was er ganz bestimmt tun wird), dann wird A — im vollem Einverständnis mit C — die Einstellung von mindestens zwei Untergebenen von C befürworten. Doch um nun nicht Feindschaft im eigenen Büro aufkommen zu lassen, muß er die Einstellung von zwei Hilfskräften für D befürworten, der ja im gleichen Rang wie C steht. Mit der Neueinstellung der Hilfskräfte E, F, G und U kann A aber nun sicher sein, daß er demnächst befördert wird« (Parkinson 1980).
Gegenüber der Ausgangssituation erfüllen nun sieben Beamte die Aufgaben, die vorher eine Kraft erledigt
hat. Hieraus ergibt sich das zweite Gesetz nach Parkinson. Dadurch, daß mehr Personal zur Verfügung steht, müssen die Vorgänge und Akten auch von mehreren Personen bearbeitet oder zumindest zur Kenntnis genommen werden. Das Resultat ist, daß mehr Menschen mehr Zeit für die gleiche Arbeit brauchen.
Parkinson ist mit seinem »Gesetz zum Wachstum der Bürokratie« bei vielen Rezensenten auf herbe Kritik gestoßen. In erster
Linie kam diese Kritik aus einschlägigen Verwaltungskreisen.
Auch vergleichsweise neue Veröffentlichungen zur Bürokratie scheinen die Erklärungsansätze von Parkinson für wenig aussagekräftig zu halten (vgl. Fenske 1985). Viele Verwaltungswissenschaftler und -praktiker sind allerdings der Meinung, daß die Personalvermehrung im öffentlichen Dienst sich auch auf eine gewisse interinstitutionelle Gesetzmäßigkeit der Organisationen zurückführen läßt.
Macht und Besoldung im öffentlichen Dienst sind u. a. abhängig von dem Aufgabenbereich und der Anzahl der Untergebenen. Viele Beamte und Angestellte sind deshalb stets darum bemüht, glaubhaft zu machen, daß die gestiegene Aufgabenvielfalt eine Personalvermehrung rechtfertigt. Diese Tendenz ist besonders gut nach einem Regierungswechsel auf Bundes- oder Landesebene festzustellen.
Regierungswechsel ziehen immer zugleich auch einen Positionswechsel der Beamtenschaft nach sich, der sich daraus ergibt, daß »Nahestehende« der neuen Regierungspartei(en) herrschaftsrelevante Positionen einnehmen und die der »alten« Regierung »Nahestehenden« die erforderlichen Stellen dafür frei machen müssen. Diese Rotation, die Theodor Eschenburg
»Herrschaftspatronage« nennt, führt dazu, daß für die abgelösten Beamten und Angestellten gleichwertige Stellen gefunden werden müssen, die aber nicht immer gleich verfügbar sind. Sind keine gleichwertigen Dienststellen vorhanden, werden neue — zum Teil unwichtige Stellen — geschaffen.
Das »Rotationsprinzip« existiert aber nicht nur bei den politischen Beamten (z. B. Pressesprecher der Regierung), sondern zunehmend auch bei den normalen Laufbahnbeamten. Die
Lauf bahnbeamten sind selbstverständlich nach (eventuell) langen Jahren der Entbehrung daran interessiert, einen möglichst einflußreichen und gut dotierten Posten zu bekommen. Im Zuge der neuen politischen Zielsetzung, die sich aus dem Regierungswechsel ergeben hat, werden von der Regierungspartei entsprechende Versorgungsposten zugeschnitten.